Herr Zhu
Dokumentarfilm, 22 min
[Synopsis]
Unter Mao zwangsverschickt und zum Arzt angelernt, danach Koch im Shanghai Hilton, nun im 18. Bezirk. Chinesischer Alltag in Wien: Ein Leben zwischen Küche und Bett, kein Ruhetag, kein Kontakt mit der Außenwelt. Ein Paradigma der Ungleichzeitigkeit. Während Shanghai boomt und Glücksritter anlockt, versuchen die Zhus seit 10 Jahren ihren europäischen Traum zu leben. Und halten dabei die Werte der chinesischen Küche hoch.
[Presse]
... Dabei steht Hof doch gerade nicht für deutschen Großproduktionsbombast. Die großen Gefühle entwickeln sich auf diesem Festival zumeist in völlig unvermuteten Ecken und in aller Beiläufigkeit. In der kleinsten Einheit der Hofer Filmtage, dem Studentenkurzfilm, stellten sie sich ganz vehement ein. Nachdem man Bettina Timms zwanzigminütigem Film HERR ZHU über einen chinesischen Koch aus Wien gesehen hat, wird man das Essen beim Chinesen um die Ecke zumindest für eine Weile mit anderen Augen sehen. Dieses kleine, großartige Werk vermittelte eine Ahnung von den Einwanderexistenzen, die in winzigen Küchen schwitzen und mit kleinen Messern aus Rettichen dämonische Drachen als Dekoration schnitzen. Weil er am Tag 16 Stunden kocht, hat Herr Zhu keine Zeit deutsch zu lernen. Früher musste er so viel arbeiten, um Frau und Tochter nachzuholen. Jetzt spart man fürs Studium der Tochter und auf eine Reise in die Heimat, um die Verwandten zu besuchen. Aus dem Ineinandergreifen von Schneiden, Schnitzen, Garnieren, Würzen, Brutzeln und Marinieren kommt Timms Film einem Leben nahe, dass sich zwischen Herd, Spüle und dem kurzen Nickerchen am Restauranttisch bewegt. Nur einmal in der Woche, am Sonntag, gibt es für das Ehepaar Zhu Zeit, um zum Tee am Nachmittag nach Hause zu fahren. Dann sitzen die beiden auf ihrem mit Plastik überzogenen Sofa und schauen in die Leere des unbewohnten Wohnzimmers. Herr und Frau Zhu, zwei Menschen, die kaum mehr wissen, was sie in ihrer freien Zeit machen sollen, waren das rührendste Bild der Hofer Filmtage. ...“
taz vom 4.11.2004, ANKE LEWEKE
... Noch überzeugender als diese sympathischen Debüts waren zwei andere Filme: Bettina Timms HERR ZHU beobachtet schlicht und einfach einen chinesischen Restaurant-Besitzer aus Wien bei seiner Arbeit: waschen, schneiden, kochen, eine Karotte durch Feinarbeit in eine Rose oder einen Drachen verwandeln, servieren, aufräumen. Dabei erzählt Herr Zhu, warum er kein Deutsch kann, seit bald 10 Jahren sieben Tage in der Woche arbeitet und was ihn glücklich macht. Und aus dem Kurzfilm wird eine sensible Dokumentation über Tradition, Arbeit, den Sinn des Lebens - ein Paradigma der Ungleichzeitigkeit. ...”
RÜDIGER SUCHSLAND, Frankfurter Rundschau, 02.11.04
Triumph der AugenblickeNazis, Sekten, Papas Kino: Der deutsche Film sah bei den 38.Hofer Filmtagen ein wenig alt aus. Für erfrischenden Durchzug sorgten ein chinesischer Koch aus Wien und ein sensationelles Spielfilmdebüt..... Die Gegenwart ist die Domäne des Dokumentarfilms. Zu den schönsten der diesjährigen Filmtage gehört zweifellos Herr Zhu, der im 18. Bezirk in Wien ein chinesisches Restaurant hat. Das Lokal ist an sieben Tagen in der Woche geöffnet. Bettina Timm beobachtet das Leben von Herrn Zhu, das nur aus Arbeit zu bestehen scheint. Er beklagt sich nicht, er kann nicht anders. Herr Zhu ist ein Künstler. Leise summend hackt er Kräuter, brät, dekoriert, dünstet, frittiert, manchmal in rasendem Tempo, manchmal konzentriert und langsam, aber immer perfekt im Timing. Wenn die Speisen die Küche verlassen, sollen sie alle Sinne des Gastes anregen. Und wird sein Essen gelobt, freut sich Herr Zhu. Das Lob ist sein einziger Kontakt zur Gesellschaft draußen, jenseits der Küchentheke. 21 Minuten dauert dieser Dokumentarfilm ohne Kommentar, der vom Leben, der Liebe und der Einsamkeit erzählt. 21 Minuten Leben in Echtzeit. ...
Berliner TIPP, Nicolaus Schröder
[Festivals]
2004
28. Hofer Filmtage
28. Göteborger Filmfestival
Illumination 2005 Helsinki
18. Bozener Filmtage
2005
20. München Internationales Dokumentarfilmfestival
Studentenfestival Moskau
Studentenfilmfestival Lodz
12. Regensburger Kurzfilmwoche
[Preise]
FFF Förderpreis Dokumentarfilm, Dokfilmfest München
FFF Förderpreis Kurzfilm, Regensburger Kurzfilmwoche
[Stab]
Buch, Regie, Ton: Bettina Timm
Kamera: Alexander Riedel
Produktion: Jan – Philipp Scherz
Herstellungsleitung: Evi Stangassinger, Natalie Lambsdorff
Herstellungsassistenz: Anna Katharina Engel
Schnitt: Bettina Timm
Schnittbetreuung: Gaby Kull-Neujahr
Übersetzung: Wu Ling
Mischung: Gerhard Auer
[Technische Daten]
Dokumentarfilm / Deutschland / 2004
Länge: 22 min
Format: 35 mm / Farbe / 1:1,85 / stereo
Sprache: deutsch / mandarin (deutscher Untertitel)
Produktion: Pelle Film in Ko-Produktion mit HFF München